Dienstag, 9. November 2010

Meine Wundertuete

Ein Stueck Norden

Freitag morgen kommen Yimis, Patrick und ich nach sechs Stunden Busfahrt in Gudalajara an. Aber nicht, dass ihr denkt wir waeren auf Entzug! Nein, ohne Franzosen geht nichts. Am Busbahnhof treffen wir die restlichen zehn.

Mit nur zwei Stunden Schlaf im Tank sitzen kurz darauf im Bus nach Tequila. Zwanzig Shots spaeter ist der Tank wieder voll. Dass es kein Fruehstueck gibt, hat uns keiner gesagt. Von der Agave auf dem Feld, ueber den Ofen bis zur Destillation duerfen wir alles ansehen, essen und unsere Finger reinstecken. Alkohol desinfiziert ja. "Tequila no me gusta" sagt der Tourguide "Me encanta.". Nur..fuer misch? Non! Selbst beim feinsten Tropfen, nach dem x-ten Shot muss ich mir stark verkneifen, mir die Nase zu zuhalten.



Nach mehr Flaschen als Gesichtern steht uns die Zerstoerung auf die Stirn geschrieben. Schnell wird erkannt, das dies der richtige Moment ist, um uns durch den Souvenirshop zu schieben (hmhm.. ja, die Souvenirflasche steht neben mir im Regal). Abends sitzen wir mit unseren neuen Freunden Tequila-2Liter, Tequila-5Liter und anderen Backpackern im Hostel. "Jeder Mensch ist selbst fuer sein Glueck verantwortlich." Ja ja. "Mit viel Uebung kann man sich selbst jederzeit in einen Zustand des Gluecks versetzen." Hmhm. Ja. "Es ist moeglich sein ganzes Leben lang nur gluecklich zu sein (wenn es keinen greifbaren Grund gibt, es nicht zu sein)." Aehm, naja. ..Hm! Genau die richtige Diskussion fuer mich. Spaeter erkunden wir Guadalajaras Nachtleben.

Der naechste Tag beginnt fuer Patrick, Yimis, Johan und mich zu frueh. Unser naechste Stop ist Puerto Vallarta. An der Pazifikkueste verbringen wir zwei wunderbare Tage mit viel Sonne, Strand und Touristenschnickschnack. Der feine Unterschied: mexikanischer Touristenschnickschnack. Was die meisten Europaer ziemlich bloed finden wuerden, ist hier ein grosser Spass. Wir buchen eine Bootstour mit ueberlauten Animateuren, Menschen, weissen Plastikstuehlen, Menschen, einen Kameramann und noch mehr Menschen.



Was am Anfang bloed ist, erweist sich nach Eroeffnung der Bar als ziemlich lustig und als einzige Europaer auf dem Boot haben wir das grosse Glueck an jeden der tollen Animations-Spiele teilzunehmen. Leider gebe ich beim Armdruecken keine gute Figur ab. Die Kolumbianerin gewinnt und im Luftballon-Zerplatzen-Lassen versagen Patrick und ich bei Stellung Nr.3. Fans haben wir trotzdem.



Abends sitzen wir wieder im Bus nach Morelia um dort den Día de los Muertos zu feiern. Unsere geplante Planlosigkeit fuehrt uns auf die Insel Janitzio. Trotz der braunen Bruehe, die sie umgibt, ist es ein wundersamer Ort. Vollgepackt mit Hauesern bis hin zur Spitze, die von einer uebergrossen, begehbaren Statue des Unabhaengigkeitskaempfers Don José Maria Morelos y Pavón geziert wird.
Die Strassen sind voll gepackt mit fritiertem Fisch, Tacos, Quesadillas, Gorditas und so gut wie allem, von dem sich ein dicker Hintern nicht abwenden koennte. Die kleinen Geschaefte verkaufen gestrickte Muetzen, Schals und Ponchos aus Schafswolle.



Mexiko ist eine Wundertuete, wo man auch hinfaehrt - es sieht anders aus, fuehlt sich anders an, riecht anders. Dieses Mal ist es kalt. So kalt, dass ich um 23 Uhr mit einer der gestrickten Muetze und Schal vor dem Friedhof sitze und auf den Beginn des Spektakels warte. Mit Ponche (ueberzuckerter Gluehwein) und dem Danza del Pescado halten wir Haende und Koepfe warm.









Um 0Uhr -nach mexikanischer Zeit- werden die Tore des Friedhofs geoeffnet und die Verstorbenen bekommen Gesellschaft von all ihren Verwandten. Die Graeber werden noch huebscher geschueckt, Decken werden ausgerollt und Picknickkoerbe ausgepackt. Noch am naechsten Morgen findet sich der ein oder andere neben einem Grab, Kerzen und der traditionelle gelbe Blumenschmuck sind ueberall auf dem Boden verteilt.

Nachmittags verlassen wir Zauberland. Auf ins naechste Abenteuer.


Tepotzlán

Das Wochenende darauf gehen wir etwas ruhiger an und besuchen zusammen mit unserem Mitbewohner Yimis die kleine Stadt Tepotzlán. Hierhin faehrt man um den ein bis zweistuendigen, steilen Weg zu einer kleinen Atztekenpyramide auf sich zu nehmen. Am fruehen Morgen treffen wir ueberwiegend auf trainierte Mexikaner in Leggins, die das zwischen Bergen gelegene Staedchen fuer sich zum Fitnesspark gemacht haben. Dank Yimis Baerenkondition sitzen wir nach einer halben Stunde auf dem Gipfel. Belohnt werden wir von einer wunderbaren Aussicht. Den Nachmittag schlendern wir durch die Stadt, kaufen bunt bemalte Totenkoepfe und essen Tacos zwischen hohen Bergen von rohem Fleisch und bunten Gewuerzkisten. Abends kehren wird wieder zurueck nach La Condesa.


Und am Sonntag


Auch wenn wir dem Stier eine faire Chance im Kampf gewuenscht haben. 500 Kilo haette ich dafuer nicht auf mich nehmen wollen.

Neben der eigenen Meinung, die dabei jeder schuetzend ueber seine Entscheidung schiebt, argumentiert unser mexikanisch(-spanisch-britisch-deutsch)er Freund Carlos mit der Kultur. Hm. Fuer mich sind das die Kulturen, die sich spaeter auf dem Koerper des toten Bullen bilden werden,weil sein Fleisch ungeniessbar ist und weil ihm eines oder beide Ohren abgeschnitten werden, wenn der Torero es sich verdient hat. Und die Kunst des Tanzes. Und mit der das Blut ueber den roten Erdboden verteilt wird, weil zwei Lanzenreiter auf Pferden ihre Sperspitzen in seinen Ruecken stechen. Und die Toreros, die das mit kleinen Speren fortsetzen, und die bei ihrem "Tanz" einen steifen Nacken bekommen haben muessen, so hoch wie ihre Nase in den Himmel ragt. Ziel ist es den Nakenmuskel des Stiers zu schwaechen. Seinen Kopf zu senken, so dass der Toreo das Schwert bis zum Herzen durchstechen kann. Fairness kommt bei diesem Kampf nur dem Toreo zu, der einen humpelnden Stier gegen einen gesunden, staerkeren austauschen darf.

Nach fast vier Stunden wird der siebte tote Koerper von Pferden ueber den Boden gezogen. Eigene Meinung. Gebildet.




La ultima Vez

Das darauffolgende Wochenende verbringen wir in Ixtapa. Fleur, Jimena, Patrick, Carlos und ich kommen einen Tag spaeter als der Rest unserer Truppe an der karibischen Kueste an. Wieder profitieren wir von franzoesichen Verhandlungskuensten und unser Plan Carlos in die Welt der Backpacker einzufuehren scheitert an einem vierstoeckigen Hotel mit Poollandschaft, Fitnessstudio und gemuetlichen Suiten. Die Aktivitaetenliste dieses Wochenendes haelt sich mit schnorcheln, surfen, sonnen, aus und essen gehen recht kurz. Das einzige was immer laenger wurde waren die Naechte. Und die Gesichter, wenn wir uns daran erinnern, dass wir in drei Tagen ganze Haende voll lieber Menschen zuruecklassen muessen.


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