Donnerstag, 23. September 2010

Niederkalifornien oder - Incredible Landscapes!

Die wichtigsten Dinge, die man zum Reisen braucht sind: ein guter Rucksack (ohne Rollen), einen Lonely Planet, eine Kopflampe, einen Schlafsack und- keinen Plan. Besonders strikt hab mich bisher an den Teil mit "keinem Plan" gehalten. Es ist nicht so, dass ich nicht auch den Reiseführer jeden Tag in der Hand halte, mit Marker und Post-Its alles bunt mache. Das tue ich. Der entscheidende Unterschied ist jedoch, den ganzen bunten Punkten keine Uhrzeiten, Tage und Betten zuzuordnen. Das tue ich nicht.

Dieses mal steige ich in das Flugzeug, und in meinem Lonely Planet stecken zwei DIN A4 Seiten, auf denen sich jemand festgelegt hat. Befremdlich dieses kleine Stück Papier zwischen den 1150 Seiten voller Möglichkeiten. Bisher bin ich noch nicht mit 10 Leuten und nur 10 Tagen Zeit gereist.

Die Halbinsel Baja California liegt im Norden Mexikos und grenzt an Kalifornien. Das hat zum Vorteil, dass hier fast immer die Sonne scheint, aber oft zum Nachteil, dass sich das Leben dort nicht mehr mexikanisch anfühlt. Und zwischen all den Dollar-zeichen und willigen Frauen auch nicht mehr so aussieht.

Für knapp 50€ am Tag haben wir in La Paz zwei Autos gemietet und starten von dort aus, nach einem kurzen Abstecher ins Stadtzentrum, Richtung Süden. Im Kofferfaum liegen 2-Mann Zelte und bunte Luftmatratzen für Low-Budget Reisende. Fand ich ne ganz clevere Idee am Anfang. Hilft aber auch nichts, wenn wir nachts um 12Uhr, die Augen halb geschlossenen, den gefühlten einzigen Campingplatz in Cabo San Lucas erreichen. Unsere Verzweiflung blinkt dem ausgebleichten, faltigem Amerikaner entgegen. 100 Pesos. Erst zahlen, dann pinkeln.
Nach dem Pinkeln, zwingt uns der leere Magen noch einmal zurück in die Autos Richtung Stadtzentrum. Wir passen uns den Amis an, plündern das minimierte Burger King-Mitternachts-Angebot, und verirren uns in eine Bar zwischen willigen Frauen und glücklichen Männern.

Die erste Nacht auf dem 100-Pesos-Luxus-Boden überstehen wir alle gut (ausgenommen der Katzen-Kratzspuren am Zelt und an Patricks Kopf) und werden am nächsten Morgen von der Sonne aus dem Zelt geworfen.

Mit 9 Leuten und davon 7 Franzosen, die sich streng an ihre Prinzipien halten, ist unsere Verhandlungsmacht für viele kaum verkraftbar. Und für meinen Geldbeutel ein guter Freund.
Für 3 Euro bringt uns Capitain Carlos (!?..es war bestimmt Carlos) zum Playa del Amor. Ich verliebe mich direkt. Will bleiben. Und sehe mich schon mit dem Bauchladen am Strand, bunte Knüpfbänder mit "Kelly","Mandy" und "Brad" baumeln herunter. Und meine Dollarpreise, ha! Das ist echte Schafswolle! Leider glaubt mir mal wieder keiner, dass ich nichts mehr als das brauche, und ich muss mich nach 3 Stunden entlieben und wieder zurück auf das Boot klettern. Immer diese Denker!

Diese Nacht zahlen wir nur 80 Pesos. Schlafen aber diesmal im Hostel California, mit Bett, Bad und Küche. Am nächsten Morgen zwingt uns die Hitze und unsere beiden selbsternannten Reiseführerinnen schon früh auf die Beine. Zack zack! Zwei Stunden später sitzen alle Hühnchen im Auto und wir machen uns auf den Weg zum 6 Stunden entfernten Loreto. Der Strand in Loreto ist..nicht schön. Und die Fische kann man direkt im Meer kochen. Selbst um 11Uhr nachts stehen uns noch die Schweisstropfen auf der Stirn. Wir sammeln Palmenblätter und schmeissen den BBQ an. Ich stelle mich vor den Grill - warm gegen warm...hilft nicht! Pina Coladas? Och.. ja.

Als ich morgens aufwache, brummt die Klimaanlage und ich kann meinen Atem sehen. Das kann nicht gesund sein, findet mein Hals. Und meine Nase, die spür ich schon nicht mehr. Manche verdrängen vor lauter Arbeit die Warnsignale ihres Körpers. Ich hab bemerkt, das gleiche kann man auch mit zuviel Urlaub.

Um 11Uhr sitzen wir auf dem Boot inmitten von unzähligen Delphinen. Ich bin ganz zappelig, hab schon ein Bein im Wasser und bettele mit nervöser Stimme unseren Kapitän an, zum dritten mal umzudrehen. Ob man so wahre Leidenschaften erkennt? "Die sind viel zu schnell für Taucher!". Ha! Wen interessiert das denn jetzt! Umdrehn! Platsch..bin ich im Wasser. Um mich ein wildes Fiepen und Quietschen. Unter mir - rasen sie vorbei. Ich fühl mich wie damals mit 6 Jahren im Kinderparadies und will garnicht mehr raus aus dem Bälle-Bad. Der Tag geht weiter auf dem Boot, vorbei an Seelöwen und wilden Felsformationen und endet an einem einsamen Strand mit Palmenhütten und weissem Sand. Ich frage mich, wie dieser Trip noch besser werden soll.

Der nächste Tag. Genug vom Strand, machen wir uns auf den Weg ins Landesinnere. Die dummen Touristen! Mit stinknormalen Autos auf Straßen, die selbst ein Wagen mit 4-Wheel-Drive nicht ohne Kratzer verlässt. Und das alles, um sich eine Mission anzugucken. Es gelingt uns - nach fast zwei Stunden - anzukommen. Die Mission San Francisco Javier wurde vor 300 Jahren gegründet, aber wegen der von den Europäern eingeschleppten Krankheiten starben die zu Bekehrenden schneller weg als geplant. Bei uns war das ähnlich. Eine Stunde Mission, fast drei Stunden Weg. Den restlichen Tag verbringen wir im Auto und erreichen gegen Nachmittag Bahía Concepción.
Am Strand El Réqueson versuchen wir zu viert die Schildkröten zu finden. Gelingt uns leider nicht.
Abends bekocht uns Bertha mit höchster Kochkunst direkt am Strand. Wir trinken Cocktails und nehmen einen Eimer Bier und Tequila mit ins Meer. - Ein Strand, an dem man zu zehnt alleine sein kann.. . Gefunden! Spät nachts perlt uns das Wasser von der Haut, die nassen Körper auf den Schlafsäcken, über uns nur der Himmel.



Als ich wach werde, färbt sich der Himmel langsam rot. Vor uns hat ein Boot Anker geworfen und ich muss mich kurz erinnern.. . Luft! Mein Hals. Die Erkältung hat den Urlaub überholt und ich muss mich den restlichen Morgen hinter Wagenrädern vor der Hitze verstecken. Ohne Widerworte werde ich auf den Beifahrersitz gepackt und in den nächsten Ort - Mulége - gefahren.
Im Gesundheitscenter fragt mich der Mann im weissen Kittel, welche Beschwerden ich sonst noch so habe. Und ich denke, "Joa..Junge, soll ich dir mal was erzählen vom Leben? Denn wenn ich dir gerade so gegenüber sitze, fühle ich mich recht alt." Neben mir steht ein großer Eimer voller Sachen, die man so braucht, wenn man an Menschen herumdoktort. Uäch. Kurz innehalten.. . Her mit dem Rezept! Ein Zettel wird aus dem Block gerissen, ab zur Farmacia. Der Apothekerin gelingt es die Handschrift zu entziffern. Das Antibiotika bekommen wir aber erst nach einer halben Stunde Verhandlungen. (Annehmen könne sie nur die Rezepte die so - mit dem Rahmen aus Adobe Photoshop und Schrifttyp Arial Black - aussehen.) The mexican way.

Was auch immer Calicaphin ist, es ist großartig. Den restlichen Tag verbringe ich glücklich am Strand.

Abends fahren wir zurück nach Mulége um den Independence Day zu feiern. Und das war - wie zuhause in Freigericht, montag abends auf der Kerb. Es wird getanzt, gesungen, geredet. Ich kenne zwar keinen und verstehe auch nix - aber das mit der Hand vor der Brust gelingt mir und ich stehe schreiend zwischen Sirenen und Beifall. Vivaaa Mechicoo! Viva!

Am Donnerstag haben unsere zwei Führerinnen eine Cavetour und Missionsbesichtigung für günstige 250 Pesos erkämpft. Wir lernen mit welchen Pflanzen man welche Dummheiten anstellen kann, schwimmen in den Pools der Höhlen und hören Geschichten über die Felsmalereien. Die Nacht verbringen wir in Mulége.

Der Freitag führt uns zurück, den ganzen Weg nach unten in den Süden. Die Stunden im Auto machen erfinderisch. Und das Englisch der Franzosen gibt den Spielen (Ich packe meinen Koffer und nehme mit...) die gewisse Würze. Mit "the sex of Marion, the boops of Marie and the Magic Key" erreichen wir spät abends Los Cabos. Das Paradies der Rosinen-Amis. Um 12Uhr nachts schmeissen wir den braun gebrannten, runzeligen Kerl aus seinem Bett und wollen einen Campingplatz mieten. Die Preise sind absurd. Wir beschliessen unsere Zelte im Nirgendwo aufzuschlagen und werden vom Meeresrauschen in den Schlaf gewogen. Im Ohr ein Lied, dass schon Erinnerungen für mich trägt, in Baja California aber noch mehr gesammelt hat.



Den Samstag sind wir wieder im Wasser. Nur diesmal mit Surfbrett.
Einmal bin ich fast ertrunken, musste kurz weinen, und bin wieder zurück in die Wellen. Den Ausschlag, Muskelkater, die Wunden und blauen Flecken, die ich mir an diesem Tag zuziehe, trage ich bis heute wie Trophäen mit mir - denn es ist fast schwer zu zählen, wie oft ich auf dem Brett stand und bis zum Strand gesurft bin. Yeah! :)

Unser Trip endet in La Paz. Von dort aus fahren wir raus aufs Meer und werden über 1000 bunten Fischen ins Wasser geworfen. Rechts vom Riff strecken dicke Seelöwen ihre Flossen aus dem Wasser und hängen, einfach so, in der Sonne ab. Zum anfassen nah schnorcheln wir zwischen den faulen Tieren umher. Der letzte Tag! Und es kann noch immer besser werden. Bevor ich zurück aufs Boot klettere holt mich eine Quallennessel unsanft zurück auf den Boden der Tatsachen. Die kleinen Kapseln platzen auf der Haut. Brennen. Wie kamen die denn bitte an solch eine Stelle?

Abends schlafen wir wieder im Hostel California in La Paz. Zusammen mit Schweizern und Deutschen sitzen wir vor einer Kamera und nehmen einen Song auf. Den Text kann ich jetzt nicht wiedergeben. Soll aber bald auf Youtube laufen.

Montag morgen bringen wir den Wagen zurück zum Verleih. Tschüss Red Car. Du warst der bessere! :)