Montag, 18. Oktober 2010

Lost in Paradise and Lyrics

It’s getting cold in Mexico City. Mein Schädel brummt, 15 Kilo Gepäck fallen zu Boden. Am schwersten wiegen die Erinnerungen.

Mein Bett ist gemacht und es riecht nach Zitronenreiniger. Ich komme nach hause. Ein eigenartiges Gefühl.
„Leaving Home“ steht auf dem Buchcover, das mir Fred am Freitag Morgen in die Hand drückt. Neben mir steht mein gepackter Rucksack. Es ist 8Uhr morgens in Cancún.


Fred hat sein Zuhause vor einem Tag verlassen. Seine Arbeit, seine Kinder und seine Exfrau. „Why not go and enjoy life.“ sagt er. Hat sein Leben in einen kleinen Rucksack gepackt und ist in den Flieger gestiegen.

Dafür bin ich Fred dankbar. Denn ohne ihn wäre mein erster Tag in Cancún ganz schön einsam gewesen. Und ohne mich - hätte er schon am ersten Tag all sein Erspartes für überteuerte Tauchtrips, Stripshows und Hängematten ausgegeben. In einer kleinen Bar trinken wir sein erstes Michelada und essen Tacos. Den amerikanischen Wahnsinn können wir an diesem Abend nicht finden. Die Bars sind leer gefegt und nach zwei weiteren Bier und einem Magarita stolpern wir zurück ins Hostel.

Mit „Leaving Home“ in der Hand sitze ich eine Stunde später auf der Fähre Richtung Isla Mujeres. Auch wenn ich das nicht zum ersten Mal mache und viel Unsinn in der deutschen Presse steht, hat es mich ein bisschen Überwindung gekostet ganz alleine in den Flieger zu steigen.

Maeve habe ich über die Internetseite www.travbuddy.com kennengelernt. Kaum steht mein Rucksack im Poc Na Hostel auf dem Boden, fällt sie mir um den Hals. Wir sind von Anfang an dicke Freunde. So dick, wie Amerikaner innerhalb von einem Tag miteinander sein können. 10min später kenne ich alle Bewohner.


Wir mieten einen Golfwagen, erkunden die Insel, essen Tacos und Fisch, sehen Schildkröten schwimmen, Wellen am Kliff brechen und die Sonne untergehen. Abends im Hostel spielt die Band „Chan Chan“. Cocktails gibt’s für einen Euro und getanzt wird direkt am Strand. Als die Sonne aufgeht sitzen wir noch immer im Sand, die Gitarren auf dem Schoß, die Stimmen in der Luft.







Den nächsten Tag verbringe ich zwischen Strand und Hängematte. Den besten Kaffee gibt’s zwei Straßen weiter. Nur hell und dunkel unterscheiden die Zeit. Morgens sitze ich zwischen Palmen, Bananen und Toast vor mir. Huch, verloren. Die Zeit ist im Sand verlaufen und ich habe angefangen Songs zu schreiben. Jemand hat meine Worte flüssig gemacht und ihnen Noten aufgeladen. So viel zu tun hier! Ich musste meinen Flug um 4 Tage verschieben.

It's all about moments.

...It is wrong to think that love comes from long companionship and persevering courtship. Love is the offspring of spiritual affinity and unless that affinity is created in a moment, it will not be created for years or even generations...


Am Samstag kommen Patrick und Nadine im Poc Na’s an. Strand und Kokosnuss sind Arbeit genug für einen Tag. Und nachdem ich eine Stunde lang mit fünf Krabben und einer Zange kämpfe, sind wir alle nicht satt, aber haben Bauchkrämpfe vor lauter lachen und freuen uns wie kleine Kinder auf die Magiershow im Hostel. Nachts stürmen wir die Hochzeitsparty im Hotel nebenan, springen in den Pool am Meer und lassen den Tag in Hängematten ausschaukeln.

Manchmal bleibt man einfach stecken. In guten Gesprächen, puderweissen Stränden, Noten und einem Gefühl. Verwächst schleichend mit Orten und Menschen. Muss sich mit Kraft losreissen.
Ich verliere ein paar Wurzeln, als ich Sonntag Abend in die Fähre steige. Spät nachts komme ich mit Nadine und Patrick auf der Isla Cozumel an. Das Hostelzimmer hat 25 Betten, ein offenes Bad und kostet zuviel Geld. Dank Nebensaison sind nur drei Betten belegt. Trotz allem. Gefällt mir. Nicht.

Für mich sind die größte Attraktion der Insel die dicken Amerikaner. Hier sammelt sich eine gewisse Sorte - behangen mit Goldkettchen, Sonnenbrillen, großen Brüsten und dicken Bäuchen. Alles hängt nach unten. Die schweren Dollarscheine werden wahllos über die Theke geworfen, Kinder durch den Sand und Pizzen in den Mund gerollt. Fink, Ray und Angus retten mir den Tag. Zu guter letzt nutze ich die Amis auch nochmal aus und lass mir von 3 netten Kreuzfahrtpassagieren das Taxi bezahlen.

Cozumel ist bekannt als Taucherparadis. Doch der Versuch der Insel von unten etwas gutes abzugewinnen scheitert am Hurricane, der sich Montag morgen mit Regen und dunklen Wolken ankündigt. Aus Angst auf der Insel gefangen zu sein, sammle ich meine sieben Sachen ein und renne zur Fähre. Puh, geschafft, Festland unter den Füßen. Auf der Flucht vor dem Massentourismus und dem Hurricane im Rücken steige ich in den Bus Richtung Tulúm.

Im Hostel „The Weary Traveler“ werfe ich Sack und Pack in die Ecke und fahre zum Strand. Die dunklen Wolken, die am Himmel hängen, lassen das Meer noch türkiser und den Sand noch weisser strahlen. Der Regen wäscht mir den Kopf und das Meerwasser die Haut. Fast vergesse ich Bücher und Kameras, flüchte aber noch rechtzeitig mit zwei Backpackern aus dem Hostel unter das Palmendach. Der Regen ist warm, doch keine Menschenseele weit und breit.


Zurück im Hostel lerne ich einen Belgier kennen. Zusammen buchen wir einen Tauchtrip in den Zenoten – „The Temple of Doom“ für den nächsten Morgen. Der restliche Tag verläuft ruhig. Wegen dem Hurricane herrscht Alkoholverbot in der ganzen Stadt. Stündlich spazieren Kontrolleure durch den Innenhof des Hostels. Muss mich wundern warum. So ein kleiner Hurricane wäre doch der einfachste Weg die Betrunkenen aus der Gosse zu fegen.

Um halb7 klingelt der Wecker. Zwei Stunden später stapfe ich mit Gummianzug und Sauerstoffflasche den kleinen Pfad zur Zenote hoch. Drei Meter unter mir ist Wasser. Mit voller Ausrüstung springen wir in das Loch im Boden. Höhlentauchen, das hört sich unheimlich spannend an. Aber woher weiss man denn ob man unter Wasser klaustrophobisch ist? Kurz bevor wir in die geschlossenen Höhlen eintauchen, stossen wir auf ein Schild „DANGER – Only experienced cave divers“. Gut, dass ich schon mal im Dunkeln gebadet habe.
Das Licht unserer Lampen fällt auf die weissen Felswände und Stalagmiten. Unser Tauchguide hat einen Affenzahn drauf, Zeit ist ja schliesslich Geld. Ausserdem muss er in zwei Stunden zum Flughafen.

Im Temple of Doom treffen Salz- und Süßwasser aufeinander und bilden eine "Halocline". Ich schwebe im Universum, zwischen zwei Welten. Als würde eine dünne Folie im Wasser schwimmen, spiegeln sich Felsen und Taucher bis man die Schnittstelle erreicht und alles auf dem Kopf steht. Und plötzlich, vermischen sich beide Schichten und alles ist verschwommen. Ich fühle mich wie sturzbetrunken, muss aber nur einmal mit den Flossen schlagen um wieder nüchtern zu sein. Nach 50 Minuten geht’s aus dem Universum wieder zurück auf die Erde.



Den restlichen Tag sitze ich im Hostel und zähle mit anderen Backpackern die geretteten Minenopfer in Chile. Rescued: Edison Pena, 34 years old – loves sports, is going to marry his wife next month. Bei dem TV-Format könnte es auch der letzte Tag im Big Brother Haus sein. Abends dürfen wir wieder Bier trinken (kaum auszudenken, was passiert wäre wenn nicht..) und ziehen später weiter in eine Bar.

Donnerstag morgen schaue ich mir die Ruinen von Tulum an, zwinge Rentnerpärchen mich zu fotografieren und hänge den restlichen Mittag am Strand ab. Weil es keinen Zufall gibt, muss es das Schicksal gewesen sein, das Keith, der mit Patrick und mir Spanischkurse in Mexiko Stadt besucht hat, an diesem Tag auch nach Tulum führt. Die Welt bleibt ein Dorf.




Am Nachmittag fahre ich zusammen mit einem Norweger aus dem Backpackers in Tulum wieder in den Norden – Richtung Flughafen  - um meine letzte Nacht in Playa del Carmen zu verbringen. Im Hostel Playa angekommen, umgeschaut, um den Hals gefallen, will ich bleiben. Vor zwei Tagen wurde die Isla Mujeres evakuiert und so hat es alles Bewohner des Poc Na’s hier hin verschlagen.
Trotz des Massentourismus fühlt man sich am Strand von Playa del Carmen, wie an einem warmen Sommerabend (ein bisschen weiter oben) am Rheinufer. In Mitten des Trubels kann man mit sich alleine sein. Die Farben am Abendhimmel verleiten zum träumen.

Des restliche Abend zieht mich in den Bann der Karten und Flaschen. Mit vertrauten Backpackerspielen mischen wir das ganze Hostel auf und tanzen später in einem Club am Strand. In ganz Playa scheinen nur Männer für ihre Drinks zahlen zu müssen. Dumm, wenn man dann keine Frau findet.
Nach einem kurzen Powernap klingelt mein Wecker. Wah! 10 Minuten. Alles in den Backpack, T-shirt an, Katzenwäsche, Gleichgewicht finden. Und ab zum Bus. Die Rezeption macht erst um 8 Uhr auf. Kurzer Panikanfall. Personal kommt 10 Minuten eher. Panik verstreicht. Schlüssel weg. Panik wieder da. Egal. 50 Pesos? Näh. Ich renn dann mal los.

10.55Uhr. Interjet Flight No. 1026 – Destination Mexico City. Seat 17F. Back to real life! Naja..fast :).

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